Gaby Pysall-Wöller. Der Corona-Krisenstab funktioniert – und wir lernen dazu
Mit Beginn der Corona-Krise mussten die Hochschulen und Universitäten in kürzester Zeit die vorgegebenen Richtlinien der Bundesregierung und der Länder umsetzen und Maßnahmen zum Gesundheitsschutz Studierender sowie der Mitarbeiter*innen und Professor*innen ergreifen. Gaby Pysall-Wöller, Leiterin der Stabsstelle Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz der Hochschule Stralsund, spricht in einem Interview über Veränderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz an den Hochschulen und wie sich gut vorbereitete Krisen- und Notfallpläne auszahlen.
Liebe Frau Pysall-Wöller, wie eine Welle kam die Corona-Pandemie Anfang des Jahres näher und wurde von den meisten Bundesbürgern mit ungläubigem Staunen betrachtet. Als Anfang März deutlich wurde, dass umfassende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die unkontrollierte Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern, standen Hochschulen und Universitäten vor völlig neuen Herausforderungen. Wie lief es an der Hochschule Stralsund (HOST) ab?
Gaby Pysall-Wöller: Das stimmt. Am 22. März verständigten sich die Bundeskanzlerin und die 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder über ein Kontaktverbot in Deutschland. Seitdem ist der Präsenzlehrbetrieb ausgesetzt und Studierende, Mitarbeiter*innen und Professor*innen sind weitestgehend im Homeoffice, beziehungsweise in mobiler Arbeit. Innerhalb weniger Tage mussten Lehrpersonal und Studierende vom Präsenzlehrbetrieb in digital gestützte Formate umsteigen.
Wie haben sich seitdem die Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz durch Corona an der Hochschule verändert?
GPW: Die Ereignisse überschlugen sich erst einmal. Klar war von Anfang an – sowohl von Seiten der Hochschulleitung, als auch von Seiten des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur – dass die Gesundheit an erster Stelle steht. Es sollten so schnell wie möglich die Infektionsketten unterbrochen werden. Dafür mussten unerwartet schnell Entscheidungen getroffen, Hygienekonzepte und Verfahrensrichtlinien verfasst und Schutzmaterial bereitgestellt werden. Dienstreisen von Mitarbeiter*innen wurden bis auf Weiteres eingestellt. Die Belegschaft musste möglichst schnell entzerrt werden, um Kontakte zu vermeiden. Der Gesundheitsschutz hatte oberste Priorität, alle anderen Themen rückten in den Hintergrund. Außerdem mussten natürlich hier an der Hochschule geeignete Schutzmaßnahmen für alle Hochschulangehörigen ergriffen werden, die aus unvermeidbaren Gründen weiter zum Arbeitsplatz kommen müssen.
Wer muss denn weiterhin für welche Tätigkeit an die Hochschule kommen?
GPW: Es fängt bei der Poststelle an, denn natürlich gehen weiterhin Rechnungen, Bewerbungen für ein Studium, Anträge für Prüfungen oder viele andere Vorgänge ein. Auch in der restlichen Verwaltung muss normal bearbeitet werden, was sich nicht von zu Hause erledigen lässt. Das läuft ja alles weiter: Rechnungen, Zahlungsanweisungen, Beschaffung von technischen Geräten oder Büromaterialien, Honorarauszahlungen für Lehrkräfte. Die Funktionsfähigkeit der Hochschule muss durch den Betrieb zentraler Einrichtungen, wie etwa das Rechenzentrum, weiter gewährleistet sein. Die Gebäude müssen betrieben und gepflegt werden und die aktuellen Baustellen laufen weiter. Aber auch in den Laboren der Fakultäten kann man nicht alles so stehen und liegen lassen. Versuchsreihen müssen weiterhin betreut werden, bei manchen Projekt- und Forschungsvorhaben gilt es Zeitpläne einzuhalten. Und natürlich kommt seit Beginn der Krise der Krisenstab der Hochschule zusammen. Wenn möglich, per Videokonferenz, ansonsten in unserem größten Raum, dem Audimax.
Welche Aufgaben übernimmt der Krisenstab und wer ist dort mit drin?
GPW: Im Zuge der Corona-Pandemie wurde an der HOST tatsächlich zum ersten Mal der Krisenstab einberufen. Er kam das erste Mal am 05.03.2020 zusammen, um die aktuelle Lage zur Verbreitung des Virus zu besprechen und die erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung untereinander und mit den Empfehlungen des Robert Koch Institutes sowie den behördlichen Anordnungen auf Bundes- und Landesebene festzulegen.
Seitdem tagt der Krisenstab regelmäßig – anfangs mehrmals wöchentlich – und beobachtet die Lage, um gegebenenfalls die Maßnahmen anzupassen. Der Krisenstab besteht aus der Hochschulleitung, also der Rektorin und dem Kanzler, sowie ihren jeweiligen Vertretern im Amt, dem Dezernenten für zentrale Dienste und Liegenschaften, der Leiterin der Hochschulkommunikation und mir als Leiterin Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz. Alle Entscheidungen trifft letztendlich die Rektorin, aber sie hat bisher immer alle Empfehlungen des Krisenstabes aufgenommen.
Wie hat denn der Krisenstab bisher funktioniert?Je nach Situation wird der Krisenstab auch um Sachverständige und Verantwortliche erweitert, was im Falle des Coronavirus bedeutet, dass wir zusätzlich die Leiterin des International Office, den Prorektor für Lehre, die Dezernentin für Studien- und Prüfungsangelegenheiten, die Leitung Personal und die Dekanin und Dekane der Fakultäten, sowie den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) mit im erweiterten Krisenstab haben.
GPW: Ausgezeichnet. Bereits 2017 haben wir in einer Arbeitsgruppe Krisenmanagement der HS-MV, welche sich aus Vertretern der Hochschulen und Universitäten des Landes MV zusammensetzt, einen Krisen- und Notfallplan der HS des Landes MV erstellt, der sofort einsatzfähig war. Wenn der Ernstfall so rasant eintritt, zahlen sich gut vorbereitete Krisen- und Notfallpläne aus. In diesem Plan sind alle erdenklichen Szenarien beschrieben und die Abläufe des Krisenmanagements geregelt. Unser Krisenstab hat sich mit dieser Vorlage schnell eingefunden. Alle beteiligten Instanzen waren umgehend arbeitsfähig und haben gut miteinander agiert. Der Kanzler als Krisenmanager hat alles zuverlässig im Griff.
Wie werden wir in den nächsten Monaten bei unserer Arbeit und an unseren Arbeitsplätzen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie umgehen, vor allem in Hinblick auf Mitarbeiter*innen in der Präsenzlehre, in Laboren und der Verwaltung?
GPW: Ich persönlich glaube nicht, dass in nächster Zeit alles wieder wird wie vorher. Die Hygiene- und Abstandsregeln müssen erstmal weiter eingehalten werden. Eine Pandemie kann Monate aber auch Jahre andauern. So schnell wird sich die Ansteckungsgefahr also nicht verringern. Wir tragen alle füreinander Verantwortung und müssen dafür sorgen, dass alle gesund bleiben. Wir haben in der Belegschaft auch Angehörige von Risikogruppen, die möglichst im Homeoffice bleiben sollten. Hochschulangehörige, die Familienmitglieder betreuen, sollen auch ruhig weiter im Homeoffice bleiben. Solange von höherer Instanz, also aus dem Landesministerium und von Seiten der Bundesregierung, die Einstufung einer Pandemie nicht aufgehoben wurde, gilt es ohnehin, die bisherigen Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Es kann ja auch eine zweite Infektionswelle geben. Wir sollten gewappnet sein und digitale Angebote gegenüber Präsenzangeboten vorziehen.
Wie können Hochschulen langfristig den Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Hinblick auf mögliche Pandemien begegnen?
GPW: Telearbeit und Homeoffice sind Punkte, die vielen Hochschulangehörigen bisher nicht so präsent waren. Zum einen müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, von der leistungsfähigen Hardware über Programme bis hin zum VPN-Tunnel – und einem geeigneten Arbeitsplatz. Nicht jeder hat zu Hause zufriedenstellende Möglichkeiten für Telearbeit. Zum anderen gehören gewisse Kompetenzen dazu, die wir alle in Zukunft lernen und erhöhen sollten. Zum Homeoffice gehören ein gutes Zeitmanagement und ein großes Maß an Selbstdisziplin dazu. Sonst arbeitet man plötzlich länger, als im Büro, weil ständig das schlechte Gewissen drückt, wenn Aufgaben nicht bewältigt wurden. Für die Kommunikation und die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter*innen und Professor*innen untereinander gilt es, sich sinnvolle Werkzeuge anzueignen, um Prozesse vom analogen in den digitalen Bereich umzugestalten. Und ganz ähnlich muss sich das Lehrpersonal für die Lehre im Studium damit auseinandersetzen, welche Formate für die digitale Lehre technisch und didaktisch geeignet sind. Da wird der Bedarf in Zukunft eher zu- als abnehmen. Corona war und ist für uns quasi der Testfall. Wir lernen gerade ganz viel dazu, welche Maßnahmen innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden müssen und welche Mittel wir bereithalten sollten. Wir haben jetzt die Chance, unsere Kompetenzen auszubauen und die Digitalisierung voranzubringen. Für die nächste Corona-Welle oder womöglich eine nächste Pandemie sind wir gut gerüstet
Zur Person
Gaby Pysall-Wöller ist Bauingenieurin mit einer Zusatzausbildung als Fachkraft für Arbeitssicherheit. Seit 2014 ist sie an der Hochschule Stralsund Leiterin der Stabsstelle AGU – Arbeitssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz. Sie berät die Hochschulleitung und die für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen, insbesondere bei Planung, Ausführung und Unterhalt von Betriebsanlagen und sozialen Einrichtungen, Beschaffung technischer Arbeitsmittel und Einführung von Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen, Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung. Außerdem ist Gaby Pysall-Wöller zuständig für die Beobachtung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung, sowie die sicherheitstechnische Überprüfung der Betriebsanlagen, der technischen Arbeitsmittel und Arbeitsverfahren. Die Hochschule Stralsund ist eine junge und innovative Campus-Hochschule mit technisch-wirtschaftlichen Profil. Zukunftsorientierte Studiengänge, starke Kooperationen mit Unternehmen und ein hervorragendes Betreuungsverhältnis bieten mehr als 2.300 Studierenden optimale Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium und einen aussichtsreichen Berufsstart. Mit exzellenter Forschung und zeitgemäßer Lehre in den Bereichen Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau und Wirtschaft macht die Hochschule auf sich aufmerksam.